Bei der fiktiven Abrechnung der Reparaturkosten kürzen die Versicherungen gerade aktuell wieder auf Teufel komm raus die geltend gemachten Schadenspositionen.
Ganz beliebt ist das Benennen einer angeblich wesentlich günstigeren, in der Nähe des Wohnorts des Geschädigten liegenden, Werkstatt. Oftmals sind die vorgenommenen Kürzungen wahrlich abenteuerlich und auch vollkommen unberechtigt.
Welche Abzüge Sie sich unter welchen Voraussetzungen gefallen lassen müssen, damit befasse ich mich in diesem Artikel.
Maßgeblich ist insbesondere eine aktuelle Entscheidung des BGH zu diesem Problem.
1. Konkrete Schadensabrechnung
Bei der konkreten Schadensabrechnung wird das beschädigte Fahrzeug in einer Werkstatt repariert und die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten gegenüber der Versicherung geltend gemacht und in der Regel auch komplett erstattet. Lediglich dann, wenn der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist, wird nur der Nettoschadensbetrag ausgezahlt.
2. Fiktive Schadensabrechnung
Diese Form der Abrechnung erfolgt dann, wenn Sie ihr Fahrzeug nicht (vollständig) in einer Reparaturwerkstatt reparieren lassen, sondern entweder privat oder überhaupt nicht. Es geht also um die Fälle, in denen Sie günstige Reparaturmöglichkeiten in Anspruch nehmen wollen und können, oder das Fahrzeug, bspw. weil es schon älter und der Schaden nur optisch beeinträchtigend ist, gar nicht reparieren lassen wollen.
Grundlage der fktiven Schadensabrechnung ist ein Sachverständigengutachten, welches von einem Kfz-Sachverständigen erstellt wird. Lediglich bei Bagatellschäden ( bis ca. 1100,- € ), genügt in der Regel auch ein Kostenvoranschlag.
Dieses Gutachten sollten Sie möglichst selbst in Auftrag geben. Die Versicherung hat natürlich ein Interesse daran, einen eigenen Gutachter mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen, da dann ihre Interessen, nämlich eine möglichst geringe Schadenshöhe, Berücksichtigung finden.
Der Gutachter ermittelt die Höhe der Reparaturkosten und, falls gegeben, auch eine Wertminderung.
3. Abzugsposten bei fiktiver Abrechnung
Der Geschädigte, bzw. sein Anwalt, legt die in dem Gutachten angegebenen Nettoreparaturkosten und gegebenenfalls die Wertminderung der Schadensbezifferung zugrunde. Dann kommt das Abrechnungsschreiben der Versicherung, welches ärgerlicherweise meist diverse Abzüge von den geltend gemachten Reparaturkosten enthält und einen deutlich geringereren Betrag als den geltend gemachten anerkannt und auszahlt.
a) Stundenverrechnungssätze
Besonders beliebt ist die Kürzung der in dem Gutachten zugrundegelegten Stundenverrechnungssätze der Reparaturwerkstatt.
Der Sachverständige – jedenfalls soweit Sie ihn beauftragt haben – legt seinem Gutachten die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zugrunde. D. h., wenn Ihr Mercedes bei dem Unfall beschädigt wurde, berücksichtigt er die Verrechnungssätze einer Mercedeswerkstatt.
Natürlich sind diese höher, als die einer freien Werkstatt.
Was macht also die Versicherung?
Sie kürzt diese Verrechnungssätze unter Zugrundelegung der Verrechnungssätze einer freien Werkstatt. Meist benennt sie eine konkrete Werkstatt in Ihrer Nähe, in welcher Sie Ihr Fahrzeug zu den von der Versicherung berücksichtigten Kosten reparieren lassen können.
Müssen Sie sich das gefallen lassen?
Oftmals nicht!
Wenn ihr Fahrzeug
- am Schadenstag nicht älter war, als 3 Jahre
- bisher ausschließlich in einer markengebundenen Werkstatt repariert und gewartet wurde
- die Qualität der Reparatur in der benannten freien Werkstatt nicht der in der markengebundenen Werkstatt entspricht
- es sich bei dem günstigeren Reparaturangebot um zwischen Werkstatt und Versicherer ausgehandelten Sonderkonditionen handelt
dann muß die Versicherung die im Gutachten angegebenen Reparaturkosten einer markengebundenen Werkstatt erstatten.
Gerade das Zugrundelegen von Sonderkonditionen ist derzeit äußerst beliebt bei den Versicherungen. Hier lohnt es sich in der angegebenen Werkstatt vorbeizufahren und um die Erstellung eines Kostenvoranschlages für die Reparatur der Unfallschäden nachzusuchen. Wenn dann dort höhere Stundenverrechnungssätze angegeben sind, ist die Sache klar.
b) Abzug der Verbringungskosten
Dieser Abzug wird von den Versicherungen bei fiktiver Abrechnung schon fast stereotyp vorgenommen.
Auch die Verbringungskosten, die anfallen, wenn das Fahrzeug von der Werkstatt in die Lackiererei verbracht werden muß, sind jedoch zu zahlen, wenn eine der oben genannten Voraussetzungen gegeben sind, daher ein Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Werkstatt anfallenden Kosten besteht und in dieser Werkstatt Verbringungskosten anfallen.
c) Entscheidung des BGH vom 11.11.2015, AZ. IV ZR 426/14
Der BGH hat in seiner Entscheidung bestätigt, dass grundsätzlich dann, wenn eine vollständige und fachgerechte Reparatur nur in einer Markenwerkstatt erfolgen kann, auch ein Anspruch auf Ersatz der fiktiv in einer solchen Werkstatt anfallenden Reparaturkosten besteht. Gleiches gelte auch dann, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher ausschließlich in einer solchen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.
Fazit:
Bei der derzeitigen Regulierungspraxis der Versicherungen ist man als Geschädigter gut beraten, einen Anwalt mit der Schadensabwicklung zu beauftragen. Die Kosten hierfür muß die Versicherung des Schädigers im Umfang ihrer Haftung ebenfalls übernehmen. Hat ihr Unfallgegner den Unfall also allein verschuldet, so muß die Versicherung auch die berechtigten Anwaltskosten vollständig übernehmen.