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Das Kindeswohl bei Sorgerecht und Umgang

Was bedeutet Kindeswohl?

Das Kindeswohl ist ein zentraler Rechtsbegriff des Familienrechts und Maßstab für Entscheidungen insbesondere im Sorge- und Umgangsrecht, aber auch bei Adoptionen und Vaterschaftsfragen.

Es gibt keine rechtliche Definition des Kindeswohls aber Kriterien, auf deren Grundlage über das Kindeswohl entschieden wird.

Danach gehört zum Kindeswohl insbesondere:

  • das Recht auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit
  • die Möglichkeit zu einer selbstständigen und verantwortungsbewussten Person heranzuwachsen
  • die Stabilität und Kontinuität der Beziehungen zu sorgeberechtigten Personen
  • der Kindeswille (der mit steigendem Alter des Kindes an Bedeutung gewinnt)

Das Kindeswohl bei der elterlichen Sorge

Insbesondere bei Entscheidungen über die elterliche Sorge und die Übertragung der elterlichen Sorgeals Ganzes oder nur in Teilen auf einen Elternteil ist das Kindeswohl entscheidend.

Es wird eine doppelte Kindeswohlprüfung von den Gerichten vorgenommen.

  1. Zunächst wird geprüft, ob bei einem Elternteil eine eingeschränkte Erziehungseignung und/oder Erziehungsbereitschaft vorliegt. Weiterhin wird überprüft, ob zwischen den Eltern in Bezug auf die Kinder ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft vorliegt, d. h. ob die Eltern in der Lage sind Absprachen hinsichtlich der Kinder zu treffen.
    Ist dies nicht der Fall und besteht auch keine Möglichkeit, insbesondere die Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft in absehbarer Zeit durch unterstützende Maßnahmen herzustellen, so entspricht die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ( zumindest in Teilbereichen ) dem Wohl des Kindes.

2. Im zweiten Schritt wird geprüft, ob die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Antragsteller im Gerichtsverfahren dem
Kindeswohl entspricht. Bei Uneinigkeit über das Sorgerecht muss letztlich das Gericht über den Antrag des Elternteils entscheiden, der die
Übertragung der elterlichen Sorge auf sich wünscht.
Hier orientieren sich die Gerichte an dem Bindungsprinzip, Förderungsprinzip, dem Kontinuitätsgrundsatz und dem Willen des Kindes.

Bindungs- und Förderungsprinzip

Das Bindungsprinzip betrifft die Bindung des Kindes an seine Eltern und Geschwister. Hier wird untersucht, zu welchen Personen, insbesondere zu welchem Elternteil, das Kind die tiefere Bindung hat.

Beim Förderungsprinzip wird ermittelt, wer dem Kind die besseren Entwicklungsmöglichkeiten und Unterstützung bieten kann. Ebenfalls ist wichtig, dass eine kindeswohldienliche Pflege, Betreuung und Versorgung des Kindes durch diese Person garantiert ist.

Kontinuitätsprinzip und Kindeswille

Auch das Kontinuitätsprinzip hat eine große Bedeutung für Sorgerechtsentscheidungen. Für Kinder ist bereits die Trennung der Eltern eine schwer hinnehmbare Veränderung ihrer Lebenswelt. Es wird daher darauf abgestellt, wer dem Kind eine einheitliche und kontinuierliche Betreuung gewährleisten kann. Hierbei ist auch Maßstab, ob das Kind in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann, was auch die Beibehaltung des Kindergartens oder der Schule und des Freundeskreises umfasst.

Je älter das Kind ist, desto maßgeblicher ist auch dessen Wille. Hierbei ist aber kritisch zu prüfen, ob der Wille des Kindes auch autonom gebildet wurde, stabil ist und welche Wünsche und Vorstellungen des Kindes dahinter stehen.
Beruht der geäußerte Wunsch beispielsweise auf maßgeblicher Beeinflussung durch einen Elternteil und nicht auf einer tiefen Bindung und einem autonomen Willen, so kann der geäußerte Wille dem Kindeswohl widersprechen und eine andersartige Entscheidung, wie die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil, notwendig sein.

Das Kindeswohl beim Umgang

Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass der Umgang mit beiden Elternteilen dem Kindeswohl entspricht. Lebt das Kind also bei einem Elternteil, so ist es für seine Entwicklung wichtig, regelmäßigen Umgang zu dem anderen Elternteil pflegen zu können.

Eine Einschränkung des Umgangs, dass also beispielsweise dem umgangsberechtigten Elternteil nur Umgang in Begleitung fachkundiger Dritter ( z. B. Kinderschutzbund,Caritas, Diakonie, freie Träger ) gewährt wird, ist nach den Kindeswohlprinzipien vorzunehmen, wenn dies erforderlich ist, um das Wohl des Kindes sicherzustellen. Dies kann der Fall sein, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nicht in der Lage und/oder gewillt ist, das Kind bei den Umgängen altersgemäß zu betreuen und zu versorgen.

Nur in ganz seltenen Fällen führt eine Kindeswohlprüfung zu einem zeitweiligen Umgangsausschluss. Hier müssen die Verfehlung des Umgangsberechtigten jedoch erheblich sein.

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