Die Frage, wie Kindesunterhalt bei besonders hohen Einkommen zu bemessen ist, stellt Eltern und Familienrechtler immer wieder vor neue Herausforderungen. Die rechtlichen Vorgaben bieten einen Rahmen, der sich vor allem durch die „Düsseldorfer Tabelle“ orientiert – diese endet jedoch bereits bei einem bereinigten Nettoeinkommen von 11.000 Euro monatlich. Was aber, wenn das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils darüber hinausgeht? Wie lässt sich in diesen Fällen ein fairer und bedarfsorientierter Unterhalt gestalten?
Ich möchte Ihnen heute anhand aktueller Rechtsprechung und praxisorientierter Ansätze zeigen, wie Sie als Betroffene oder Beratende solche Fragen klären und in der Praxis sinnvoll lösen können.
Die „Düsseldorfer Tabelle“ als Ausgangspunkt – und ihre Grenzen
Die „Düsseldorfer Tabelle“ dient als zentraler Anhaltspunkt zur Berechnung des Kindesunterhalts und wird in der Regel auch bei hohem Einkommen herangezogen. Jedoch stößt die Tabelle bei Einkommen oberhalb von 11.000 Euro an ihre Grenzen. Dies bedeutet: Liegt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen darüber, wird der Kindesunterhalt individuell berechnet und richtet sich nach dem sogenannten angemessenen Bedarf des Kindes.
Die Gerichte stützen sich dabei auf § 1610 BGB, der den Unterhalt an den Lebensverhältnissen und den Einkommensverhältnissen der Eltern ausrichtet. Das bedeutet: Ein Kind hat grundsätzlich das Recht, am gehobenen Lebensstandard der Eltern zu partizipieren, was in der Rechtsprechung als Teilhaberecht bezeichnet wird.
Rechtsprechung: Der Einfluss des BGH auf die Unterhaltsbemessung
Eine der grundlegenden Entscheidungen zu diesem Thema stammt vom Bundesgerichtshof (BGH). In der Entscheidung vom 16. Dezember 2020 (XII ZB 499/19) stellte der BGH fest, dass auch bei außergewöhnlich hohem Einkommen des Unterhaltspflichtigen das Prinzip der Angemessenheit gilt. Es wird ein Bedarf festgesetzt, der sich an den bisherigen Lebensverhältnissen des Kindes orientiert. Wichtig hierbei ist, dass dieser Bedarf nicht unbegrenzt steigerbar ist, sondern sich nach realistischen Maßstäben bemessen soll.
Im Urteil legte der BGH fest, dass bei sehr hohem Einkommen nicht pauschal eine Erhöhung des Unterhaltsanspruchs erfolgen muss. Vielmehr sei zu prüfen, ob die bisherigen Lebensumstände des Kindes eine solche Erhöhung tatsächlich rechtfertigen. Der BGH betonte dabei, dass die Angemessenheit im Vordergrund steht und auch extravagante Ansprüche des Kindes nicht automatisch berücksichtigt werden müssen.
So viel ist „angemessen“: Kriterien der Bedarfsbemessung
Bei der Festlegung eines angemessenen Kindesunterhalts werden verschiedene Faktoren berücksichtigt:
- Alter und Entwicklungsstand des Kindes: Ein älteres Kind oder ein Jugendlicher hat andere finanzielle Bedürfnisse als ein Kleinkind. Hier spielt auch die individuelle Förderung und Bildung des Kindes eine Rolle.
- Bisheriger Lebensstandard: Der bisherige Lebensstandard des Kindes wird maßgeblich in die Entscheidung einbezogen. Dazu zählen besondere Freizeitaktivitäten, private Schulbildung, Urlaubsreisen und andere gehobene Lebensgewohnheiten.
- Elterninteressen und Zumutbarkeit: Der Kindesunterhalt muss immer in einem ausgewogenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen stehen. Ein unlimitiert steigender Bedarf ist weder zumutbar noch gesetzlich vorgesehen.
Lösungsmöglichkeiten: Fair und individuell verhandeln
In der Praxis lohnt es sich für beide Elternteile, eine einvernehmliche Regelung anzustreben. Oft sind Mediation und außergerichtliche Vereinbarungen hilfreiche Wege, um einen individuell angemessenen Kindesunterhalt festzulegen und die Gerichtswege zu vermeiden. In vielen Fällen kann eine maßgeschneiderte Vereinbarung sinnvoll sein, die die tatsächlichen Bedürfnisse des Kindes abbildet und gleichzeitig fair und verhältnismäßig ist.
Eltern mit hohem Einkommen stehen also vor der Aufgabe, den Unterhalt nicht nur gemäß Tabelle, sondern bedarfsgerecht und angepasst an die Umstände zu gestalten. Der individuelle Spielraum ist größer, die Verantwortung allerdings auch.
Fazit: Kindesunterhalt bei hohem Einkommen erfordert Fingerspitzengefühl
Das Thema Kindesunterhalt bei hohem Einkommen ist komplex und fordert alle Beteiligten heraus, eine gerechte und bedarfsorientierte Lösung zu finden. Die rechtliche Grundlage bietet wichtige Orientierung, lässt jedoch ausreichend Raum für individuelle Regelungen, die dem Kindeswohl und den finanziellen Möglichkeiten gerecht werden. Gerne stehe ich Ihnen zur Seite, um Sie dabei zu unterstützen, eine maßgeschneiderte und tragfähige Lösung zu entwickeln.