Was kann ich nach der Trennung von meinem Ehepartner dafür verlangen, dass er/sie in dem Haus wohnt, das uns beiden oder sogar mir allein gehört?
Diese Frage stellen sich viele Ehepartner, wenn sie anlässlich ihrer Trennung aus dem Haus oder der Eigentumswohnung, die sie mit ihrem Partner zusammen gekauft oder gebaut haben, aussziehen, während der Partner dort wohnen bleibt.
Oft ist es in diesen Fällen die Frau, die mit den gemeinsamen Kindern im Haus wohnen bleibt. Dann muß der Ehemann, der nicht nur darauf verzichtet, in dem Haus zu wohnen für das er die Darlehensraten trägt, auch noch Unterhalt zahlen. Soweit es sich um Kindesunterhalt handelt tut er sich da wahrscheinlich noch nicht so schwer, aber wenn die Frau Trennungsunterhalt geltend macht und es sich gleichzeitig im Haus gutgehen lässt, dann macht sich doch ein gewisser Unmut breit.
Unklug ist es in solchen Fällen zu demonstrieren, dass man immer noch Herr über das Haus ist und demonstrativ einen Teil seiner Sachen dort zu lassen. Auch den Schlüssel nicht herauszugeben ist nicht so klug. Solange nämlich eine Überlassung des Hauses zur Alleinnutzung nicht festgestellt werden kann, gibt es auch keine entgeldliche Nutzungsentschädigung
Doch was kann ich konkret verlangen?
Nach der Trennung bis zur Scheidung richtet sich der Anspruch nach § 1361 b Abs. 3, S.2 BGB.
§ 1361b Ehewohnung bei Getrenntleben
Was aber heißt das? Was entspricht der Billigkeit?
Hierzu steht nichts im Gesetz. Die Rechtsprechung vertritt überwiegend die Auffassung, dass zumindest bis zum Ablauf des Trennungsjahres nur die ersparte Miete, d. h. der Betrag geschuldet ist, den der verbleibende Ehegatte für eine dem Standard des Hauses entsprechende kleinere Wohnung zu zahlen hätte ( BGH 05.03.2003, – XII ZR 22/06 ). Diese wird unter Heranziehung des örtlichen Mietspiegels ermittelt.
Bei gemeinsamem Eigentum steht dem weichenden Ehegatten hiervon die Hälfte zu.
In Einzelfällen wird von diesem Grundsatz unter Heranziehung von Billigkeitserwägungen abgewichen.
- So ist dann, wenn der verbleibende Ehegatte seinen neuen Partner im Haus wohnen lässt sofort der objektive Mietwert heranzuziehen. Der objektive Mietwert ist der Betrag, der für dieses Haus an Miete erzielt werden kann. Auch hiervon steht dem ausgezogenen Ehepartner die Hälfte zu.
- Bleibt die Frau mit mehreren ehegemeinsamen Kindern in dem Haus wohnen und zahlt der Mann weder für sie noch für die Kinder Unterhalt, so bekommt er auch keine Nutzungsentschädigung ( OLG Saarbrücken, FamRZ 2014, 1636 ).
- Auch in den Fällen, in denen der verbleibende Ehegatte bei Zahlung einer Nutzungsentschädigung unterhaltsbedürftig würde, weil ihm dann nicht mehr genug Geld zum Leben bleibt, gibt es keine Nutzungsentschädigung (OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 135; KG FamRZ 2015, 1191). Wenn sie aber nach unterhaltsrechtlichen Kriterien, also z. B. wegen des Alters der Kinder, mehr arbeiten müßte, als sie es tut, muß sie sich ein aus der geschuldeten Tätigkeit erzielbares Einkommen anrechnen lassen.
- Wenn ein Ehepartner über das Trennungsjahr hinaus im Haus wohnen bleibt, weil dieses verkauft werden soll, so muß er nur die ersparte Miete zahlen.
Auch dann, wenn der Wohnvorteil des verbleibenden Ehegatten bei der Bemessung des ihm zustehenden Unterhalts bereits berücksichtigt wurde und seinen Unterhaltsanspruch auch vermindert hat, kann der ausgezogene unterhaltspflichtige Ehegatte keine Nutzungsentschädigung verlangen. Hat also die Ehefrau, die mit den Kindern im Haus wohnen bleibt, einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann und rechnet dieser ihr den Vorteil, der sich aus dem mietfreien Wohnen im Haus ergebenden Vorteil einkommenserhöhend ( ersparte Mietkosten oder objektiver Mietwert werden als zusätzliches Einkommen dem tatsächlichen Einkommen hinzugerechnet ) an, so dass sie weniger Unterhalt von ihm verlangen kann, so würde sie, wenn er dann noch eine Nutzungsentschädigung verlangen könnte, ja doppelt zahlen.
Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 1361b BGB entsteht nicht automatisch. Er muß geltend gemacht werden und kann erst ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung auch verlangt werden. Es genügt, wenn der andere Ehegatte zur Zahlung aufgefordert wird.
Erfolgt eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung vor der Scheidung so handelt es sich bei dem Verfahren nach § 1361b BGB um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und es besteht der Grundsatz der Amtsermittlung. D. h., dass auch dann , wenn nicht alle anspruchsbegründenden oder auch anspruchsvernichtenden Tatsachen vorgetragen werden, das Gericht selbst ermitteln und nachhaken muß. Zudem besteht kein Anwaltszwang. Dennoch ist es sicherlich sinnvoll, auch dieses Verfahren mit Hilfe eines Anwalts zu betreiben.
Für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung sieht das Gesetz keine familienrechtliche Anspruchsgrundlage für einen Nutzungsvergütung mehr vor.
Hier richtet sich der Anspruch nach § 745 Abs. 2 BGB. Dabei handelt es sich um ein ZPO-Verfahren. Es besteht der Beibringungsgrundsatz, d. h., man muß alle anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen, das Gericht ermittelt nicht von sich aus. Zudem muß man anwaltlich vertreten sein. Hier genügt es auch zur Begründung des Anspruchs nicht, den Anderen zur Zahlung aufzufordern, sondern man muß diesen auffordern zu zahlen oder auszuziehen (Verlangen der Neuregelung der Verwaltung und Benutzung).
Aus den unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen ergeben sich in der Praxis einige Probleme. So kann aus Titeln, die nach § 1368b BGB erwirkt wurden, nach Rechtskraft der Scheidung nicht mehr vollstreckt werden. Der Anspruch muß, wenn keine außergerichtliche Einigung getroffen wird, erneut geltend gemacht werden.
Inhaltlich bleibt der Anspruch jedoch derselbe.
Er kann im Übrigen auch in Fällen geltend gemacht werden, wo zwar kein Wohnungseigentum besteht, aber ein unentgeldliches Wohnen z. B. in einer den Eltern eines Ehepartners gehörenden Wohnung, besteht.
Auch Partner aus nichtehelichen Lebensgemeinschaften haben diesen Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 745 Abs. 2 .
Gehört das Haus oder die Wohnung dem weichenden Ehegatten allein, so kann er die volle ersparte Miete oder den vollen objektiven Marktwert gegenüber dem verbleibenden Ehepartner geltend machen.
Problematisch sind auch noch die Fälle, in denen der Ehegatte im Haus, das beiden hälftig gehört, wohnen bleibt, der auch die Schulden abbezahlt. Dann hat er gegenüber seinem Ehepartner einen hälftigen Anspruch auf Zahlung der hälftigen Darlehensraten. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 426 Abs. 1, S. 1 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Er entsteht allein aufgrund der Zahlung auf die Gesamtschuld und muß nicht gesondert geltend gemacht werden, um den Anderen in Verzug zu setzen. Das bedeutet, dass der zahlende Ehepartner auch nach längerer Zeit rückwirkend ab der Trennung die Zahlung der hälftigen Darlehensbeträge von dem anderen Ehepartner verlangen kann. Dieser kann jedoch, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Nutzungsentschädigung verlangt hat, weil er entweder nicht wußte, dass er hierauf einen Anspruch hat oder dachte, dass sie mit der Zahlung der Raten durch den anderen Ehepartner abgegolten sei, diese erst ab Inverzugsetzung, d. h. ab Zahlungsaufforderung, verlangen.
Da das im Einzelfall zu äußerst ungerechten Ergebnissen führt, hilft sich die Rechtsprechung hier mit dem Konstrukt der „stillschweigenden Nichtabrechnungsvereinbarung“.
Es wird dabei davon ausgegangen, dass der die Darlehensraten zahlende Ehepartner diese nicht zur Hälfte gegenüber dem anderen Ehepartner geltend macht, weil dieser ihn kostenlos im gemeinsamen Haus wohnen lässt und umgekehrt. Von dieser stillschweigenden Vereinbarung sind jedoch die hälftigen Darlehensraten nur bis zur Höhe der geschuldeten hälftigen Nutzungsentschädigung betroffen. Beläuft die Darlehensrate sich bspw. auf 1000,-€, der Nutzungswert jedoch nur auf 800,-€, so kann der die Darlehensraten zahlende Ehepartner rückwirkend ab Trennung im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs 100,-€ vom anderen Ehegatten verlangen ( Darlehensrate : 2 = 500,-€ – Nutzungswert : 2 = 400,-€ = 100,-€ überschießender Darlehensbetrag ).
Wird bei dem die Darlehensraten abzahlenden Ehegatten jedoch die volle Darlehensrate einkommensmindernd vor der Bemessung eines Ehegattenunterhaltsanspruchs abgezogen, kann er sie natürlich dann nicht auch noch hälftig von dem anderen Partner zurückverlangen ( Verbot der Doppelverwertung ).
Weitgehend unbekannt ist auch, dass jeder Ehepartner nach rechtskräftiger Ehescheidung, egal ob Allein- oder Miteigentum besteht, gegenüber dem anderen Ehepartner einen Anspruch auf Begründung eines Mietverhältnisses hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1568a Abs. 5, S. 1 BGB. Wird dieser Anspruch gerichtlich geltend gemacht, so gestaltet das Gericht unter Verwendung der ortsüblichen Miete, auf Antrag unter Befristung, einen Mietvertrag (so auch AG München, FamRZ 2014, 1459 ).
Zusammenfassend ist festzustellen:
Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung:
- besteht bei Allein-oder Miteigentum sowie (eingeschränkt) bei kostenlosem Wohnrecht
- entsteht bei Trennung
- muss vom ausziehenden Ehepartner geltend gemacht werden
- geschuldet erst ab Geltendmachung (Inverzugsetzung) und nur, wenn nicht schon bei der Unterhaltsberechnung unterhaltsmindernd berücksichtigt
- bis zur Rechtskraft der Scheidung nach § 1361b BGB
- ab Rechtskraft nach § 745 Abs. 2 BGB
- zunächst ist in der Regel der Wert der ersparten Miete zugrunde zu legen
- nach Ablauf des Trennungsjahres der objektive Mietwert.
Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich von gemeinschaftlichen Schulden:
- entsteht ohne Geltendmachung ab Trennung
- kann geltend gemacht werden, wenn die volle Darlehensrate nicht schon einkommensmindernd bei einem Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten berücksichtigt wurde.