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Kindesunterhalt bei freiwilligem sozialem Jahr

Einleitung:

Das OLG Frankfurt hat in einer bahnbrechenden Entscheidung einem 17jährigen Unterhalt während der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres zugesprochen (OLG Frankfurt, 2 UF 135/17).

Dies, obwohl die überwiegende Rechtsprechung bisher eine Unterhaltspflicht in diesen Fällen verneint hat.

Begründet wurden diese Entscheidungen damit, dass ein Kind nach Abschluß der Schulausbildung verpflichtet ist, baldmöglichst eine Berufsausbildung (oder ein Studium) zu beginnen, welche seinen Fähigkeiten entspricht, und diese zielstrebig und in angemessener Zeit zu beenden. Ein soziales Jahr sei keine notwendige Voraussetzung für eine Ausbildung des Kindes und somit habe das Kind in dieser Zeit auch keinen Unterhaltsanspruch (OLG Naumburg NJW-RR 2007, 1380; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1353; OLG Hamm NZFam 2014, 232; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1648).

Eine andere Auffassung vertrat bereits im Jahr 2012 das OLG Celle, welches einem Kind auch während eines freiwilligen sozialen Jahres einen Unterhaltsanspruch mit der Begründung zubilligte, dass auch die am Gemeinwohl orientierte Tätigkeit, die das Ziel der Vermittelung sozialer, kultureller und interkultureller Kompetenzen verfolgt, eine „Ausbildung“ sei und daher auch von der Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt umfasst werde (OLG Celle FamRZ 2012, 995).

Was ist eigentlich ein Freiwilliges Soziales Jahr?

Es basiert auf dem am 01.04.1964 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres. Durchgeführt wird es von einem zugelassenen Träger, wie Wohlfahrtsverbände, Bund Länder und Gemeinden. Die Träger werden vom Bund gefördert. Ob eine finanzielle Vergütung erfolgt, entscheidet der jeweilige Träger. Während des Freiwilligendienstes besteht der Anspruch auf Kindergeld fort.

Im Jugendfreiwilligengesetz ist zudem eine pädagogische Begleitung der FSJler normiert, die vom jeweiligen Träger geleistet wird. Neben einer individuellen Betreuung ist hier insbesondere die Arbeit in Seminaren im Umfang von mindestens 25 Tagen im Jahr durchzuführen.

Auch für das jeweilige Einsatzgebiet und den Träger notwendige Ausbildungen oder Fortbildungen erhält der FSJler. So z. B. im Rettungsdienst die Ausbildung zum Rettungshelfer oder Rettungssanitäter und im Sportbereich eine Übungsleiterausbildung.

Ziel ist es, dem FSJler neben einer beruflichen Orientierung auch wichtige personale und soziale Kompetenzen zu vermitteln, die seine Arbeitsmarktchancen verbessern.

Ist es eine vom Unterhaltsrecht umfasste Ausbildung?

Eltern, die es für ihr Kind für förderlich halten, ein freiwilliges soziales Jahr abzuleisten, werden ihr Kind auch finanziell in dieser Zeit unterstützen.

Problematisch wird es, wenn die Eltern, insbesondere dann, wenn sie getrennt leben oder geschieden sind, sich nicht einig über den Nutzen eines FSJ für ihr Kind sind. Meist ist der Elternteil, bei dem das Kind lebt dafür und der Elternteil, der das Ganze finanzieren soll, dagegen. Für den zahlungspflichtigen Elternteil bedeutet dies in der Regel, dass er ein Jahr länger Unterhalt zahlen muß. Bei beengteren wirtschaftlichen Verhältnissen ist dies eine erhebliche Mehrbelastung.

Es wird daher meiner Auffassung nach immer eine Einzelfallbetrachtung erfolgen müssen. Die Interessen des Kindes an der Ableistung des FSJ  und die der Eltern oder des zahlenden Elternteils müssen in die Wagschale geworfen werden.

Grundsätzlich ist es sicherlich wünschenswert einem Kind, welches ein freiwilliges soziales Jahr ableisten möchte, dies auch zu ermöglichen. Auch lassen die Ausprägung und der rechtliche Hintergrund des FSJ es als naheliegend erscheinen, es als vom Unterhaltsrecht abgedeckte Ausbildung zu betrachten. Es dient der beruflichen Orientierung, der Stärkung sozialer Kompetenzen und der Erleichterung des endgültigen Eintritts in das Erwerbsleben. Seit der Novellierung des FSJ-Gesetzes im Jahr 2002 kann das FSJ auch in den Bereichen Kultur, Sport, Politik und Denkmalpflege abgeleistet werden.

Was veranlasste das OLG Frankfurt zu der Entscheidung?

Im vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall kam noch die Besonderheit hinzu, dass der Sohn, für den die Kindesmutter gegenüber dem Kindesvater Unterhalt für die Dauer des FSJ geltend machte, bei Beginn des sozialen Jahres erst 17 Jahre alt und damit noch minderjährig war. In den von den oben zitierten ablehnenden Entscheidungen waren die Kinder, die das FSJ ableisteten, bereits volljährig.

Gegenüber minderjährigen Kindern besteht eine verschärfte Verpflichtung deren Unterhalt sicherzustellen. Ihr Unterhalt ist vorrangig vor allen anderen Unterhaltsverpflichtungen zu sichern. Volljährige Kinder sind nachrangig. Reicht das Einkommen eines Unterhaltsschuldners nicht aus um  den Unterhaltsbedarf eines minderjährigen und eines volljährigen Kindes zu decken, so bekommt zunächst das minderjährige Kind seinen vollen Unterhalt und das volljährige Kind nur dann noch etwas, wenn der Unterhaltsschuldner noch unter Wahrung seines Selbstbehaltes etwas zahlen kann.

Bei der Abwägung der finanziellen Interessen des Kindesvaters und der Interessen des Kindes an der Ableistung des FSJ war damit bereits ein Ausschlag der Waage in Richtung des Kindes gegeben.

In dem Fall, über den das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte, hatte zudem der Kindesvater die Kindesmutter bevollmächtigt, alle Belange der Kinder und damit auch seines Sohnes, der das freiwillige soziale Jahr absolvieren wollte, allein zu regeln. Die Kindesmutter befürwortete den Wunsch des Sohnes, was somit für den Vater verbindlich war.

Das OLG führte in seinen Entscheidungsgründen weiter aus, dass die Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres dem Sohn, der nach dem Hauptschulabschluß noch nicht sicher war, welchen Beruf er erlernen wollte, jedoch zu einem sozialen Beruf neigte, bei der Berufsfindung helfen könne. Tatsächlich bekam er während des FSJ dann auch eine Lehrstelle von dem Betrieb angeboten, in welchem er das FSJ ableistete. Diese Lehrstelle nahm er an.

Fazit:

Eine begrüßenswerte Entscheidung des OLG Frankfurt, die jedoch keinen Zweifel daran lässt, dass jeder Einzelfall auf seine Besonderheiten, insbesondere auf die finanziellen Verhältnisse des/ der Unterhaltsschuldner/-s, die konkrete Entwicklungssituation des Kindes, die individuelle Geeignetheit  des FSJ, etc., hin zu überprüfen ist.

Mir kommen für die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres insbesondere auch die aufgrund von G8 oft noch minderjährige Abiturienten in den Sinn, die oft mit der für ihre Zukunft entscheidenden Wahl einer Ausbildung oder eines Studiums noch überfordert sind.

 

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