Wechselmodell und Kindeswohl – verträgt sich das?
Das Wechselmodell ist inzwischen als Betreuungsform von Kindern nach Trennung der Eltern in aller Munde.
In Frankreich wird es bereits sehr häufig praktiziert. Von den schwedischen Trennungskindern wird rund 1/3 auf diese Weise betreut. Dort kann das Wechselmodell auch seit 2006 auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden. Doch die hiesigen Familiengerichte sind noch recht zurückhaltend was die Anregung oder gar Anordnung einer Betreuung der Kinder in Form des Wechselmodells angeht. Auch die Psychologen, die die Folgen, die ein praktiziertes Wechselmodel auf das Wohlergehen und die Entwicklung von Kindern haben, untersuchen, sind sich bisher nicht einig darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen das Wechselmodell für Kinder die ideale Betreuungsform ist.
So herrscht in Deutschland noch das „Residenzmodell“ als Betreuungskonzept vor, wonach das Kind vorwiegend bei einem Elternteil lebt, wobei es sich dabei, insbesondere bei kleinen Kindern, meist um die Mutter handelt. Es orientiert sich noch weitestgehend an dem traditionellen Rollenbild, wonach er Mann das Geld verdient und die Frau den Haushalt und die Kinder betreut.
Doch die Rollenverteilung hat sich in den letzten Jahrzehnten auch im Zuge der Emanzipation der Frau stark verändert, so dass auch die Betreuungsformen von Kindern nach der Trennung der Eltern hieran angepasst werden sollten. In diese Bresche soll das Wechselmodell springen.
Wann es wirklich sinnvoll und für Kinder gut ist, welche Voraussetzungen bei den Eltern gegeben sein sollten und, ob und in welchen Fällen es gegebenenfalls auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden sollte, erläutere ich im Folgenden.
1.Was bedeutet „Wechselmodell“ eigentlich?
Man spricht von einem Wechselmodell, wenn die Kinder nach der Trennung der Eltern von diesen zu zumindest fast gleichen Anteilen betreut werden. Das kann z. B. so gestaltet werden, dass die Kinder oder das Kind im Wechsel eine Woche beim Vater und eine Woche bei der Mutter wohnen. Auch andere Zeitinterwalle, wie täglicher Wechsel oder 14-tägiges Pendeln, etc. sind möglich. Entscheidend ist lediglich – so auch der BGH – , dass beide Elternteile sich in wenigstens nahezu gleichem Umfang an der Betreuung des Kindes beteiligen.
2. Was für Voraussetzungen sollten gegeben sein?
Nur dann, wenn schon zu Zeiten des ehelichen Zusammenlebens eine enge Bindung des Kindes an beide Elternteile bestand und diese auch schon zu dieser Zeit in erheblichem Umfang an der Erziehung und Betreuung beteiligt waren, kann das Wechselmodell den Bedürfnissen des Kindes gerecht werden. Zudem müssen die Eltern trotz Trennung und damit verbundener Probleme in der Lage sein, sich hinsichtlich der Belange der Kinder konstruktiv und vertrauensvoll abzusprechen. Sie müssen in der Lage sein, Termine der Kinder, schulische und gesundheitliche Belange und Freizeitaktivitäten einvernehmlich zu besprechen. Ein ähnlicher Erziehungsstil sollte auch gegeben sein. Sinnvoll und praktikabel ist die Betreuung in Form des Wechselmodells zudem in der Regel nur dann, wenn beide Elternteile nah beieinander wohnen.
Da für die Betreuung im Rahmen des Wechselmodells ein hohes Maß an Konsens und Kommunikation zwischen den Eltern erforderlich ist, ist diese Form der Kindesbetreuung nicht möglich, wenn viel Streit und Uneinigkeit zwischen den Eltern herrscht. Dann werden die Kinder hierdurch einer enormen Belastung ausgesetzt, geraten vermehrt in Loyalitätskonflikte und drohen zum Spielball der Machtkämpfe ihrer Eltern zu werden.
3. Ist das Wechselmodell kindeswohlverträglich?
Kritiker des Wechselmodells wenden ein, dass hierdurch die Bedürfnisse vieler Eltern nach gleicher Beteiligung an der Betreuung und Erziehung der Kinder befriedigt würden, die Kinder hierunter jedoch eher litten. Diese könnten nicht glücklich aufwachsen, wenn sie unter den Eltern aufgeteilt würden und ständig mit zwei Lebensmittelpunkten klarkommen müßten. Sie würden zu Ping-Pong-Bällen, die sich auf zwei unterschiedliche Erziehungsstile einstellen müßten, so daß ihnen Stabilität, Altagsroutine und Geborgenheit fehle.
Andere Fachleute vertreten demgegenüber die Auffassung, dass die Belastung der Kinder, die durch das Pendeln gegeben sei, beim Residenzmodell, bei dem das Kind nur zu Umgangskontakten ( z. B. jedes zweite Wochenende) zum anderen Elternteil wechselt, nicht geringer sei, als beim Wechselmodell. Trennungskinder könnten sich unproblematisch sowohl be der Mama als auch beim Papa zu Hause fühlen. Dies könne sich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sogar positiv auf deren Entwicklung auswirken. Für ein Kind komme es vornehmlich darauf an, wie die Eltern ihnen begegnen und nicht, in welchen Räumlichkeiten dies geschieht. Stabilität und Geborgenheit seien an emotionale und nicht geographische Gegebenheiten gekoppelt.
4. Was sind die rechtlichen Folgen?
Einigen sich die Eltern auf das Wechselmodell als Betreuungsform so ist kein Elternteil berechtigt, Kindesunterhalt gerichtlich geltend zu machen, da dies nach der Rechtsprechung des BGH nur seitens des (allein-)betreuenden Elternteils geschehen kann. Der finanzielle Bedarf der Kinder wird nach der Düsseldorfer Tabelle errechnet, wobei von den Gerichten zumeist ein Aufschlag von einer oder mehren Einkommensgruppen vorgenommen wird, da zwei Haushalte geführt werden müssen. Ein gerechter Aufteilungsmodus, der auch von vielen Gerichten favorisiert wird, ist, dass der dann ermittelte Unterhaltsbedarf anteilig nach der Höhe der Einkommen der Elternteile aufgeteilt wird, wie dies auch beim Volljährigenunterhalt geschieht.
Aufgrund der oben genannten Rechtsprechung des BGH ist auch die Geltendmachung von Unterhaltsvorschußleistungen nicht möglich.
Das staatliche Kindergeld steht beiden Elternteilen je zur Hälfte zu. Es darf jedoch nach aktueller gesetzlicher Regelung nur an einen Elternteil ausgezahlt werden. Der andere betreuuende Elternteil hat also einen Anspruch auf Auszahlung des hälftigen Betrages nur gegenüber dem das Kindergeld erhaltenden Elternteil.
5. Kann das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden?
Derzeit haben die Gerichte die Möglichkeit, den Umgang des nicht betreuuenden Elternteils mit dem Kind zu regeln und/oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zu übertragen.
Wenn ein Elternteil die Betreuung des ehegemeinsamen Kindes in Form des Wechselmodells wünscht und der andere Elternteil sich dagegen sträubt, ist zum Einen denkbar, dass dieser Elternteil im Rahmen eines Umgangsrechtsstreits Umgang im Umfang einer hälftigen Betreuung geltend macht, zum Anderen aber auch, dass er das Aufenthaltsbestimmungsrecht beansprucht.
Verschiedene Amts- und Oberlandesgerichte haben die umgangsrechtliche Lösung gewählt und die Betreuungszeiten der Kinder vollständig unter den Elternteilen aufgeteilt ( OLG Hamm, FamRZ 2014, 1389; OLG Dresden Urteil vom 08.12.2010, Az: 24 UF 517/08 B; AG Heidelberg, FamRZ 2015, 151)
Andere wiederum haben das Wechselmodell durch die Übertragung eines periodisch wechselnden Aufenthaltsbestimmungsrechts angeordnet ( OLG Schleswig, FamRB 2014, 251; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.11. 2012, Az: II-6 UF 191/12 ).
Die sorgerechtliche Lösung über die Übertragung eines alternierenden Aufenthaltsbestimmungsrecht ist wohl die vorzuziehende Variante, da sie den Elternteilen Spielraum bei der Aufteilung der Betreuungszeiten läßt und diese auch an wechselnde Wünsche und Bedürfnisse des Kindes besser angepasst werden können. Bei der umgangsrechtlichen Lösung ist ein starres Gerüst vorgegeben, das Anpassungen an sich ändernde Gegebenheiten und Wünsche stark erschwert.
Rechtlich ist also die Anordnung des Wechselmodells möglich und wird auch vereinzelt praktiziert.
Ob und gegebenenfalls wann es sinnvoll ist, gegen den Willen eines Elternteils eine solche Anordnung zu treffen, darüber scheiden sich die Geister.
Sicherlich sollte insbesondere unter Berücksichtigung von Kindeswohlgesichtspunkten nur in den Fällen, in denen sehr gute Aussichten bestehen, dass eine solche Regelung nicht zu Zwistigkeiten zwischen den Elternteilen führt, die dann auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden, eine solche Entscheidung getroffen werden. Denkbar ist dies insbesondere in Fällen, in denen dieses Betreuungsmodell von den Eltern in der Vergangenheit bereits längere Zeit praktiziert wurde, dies dem Wunsch des Kindes entspricht und/oder beide Elternteile in der Vergangenheit bereits maßgeblich an der Erziehung und Betreuung des Kindes beteiligt waren und keine tiefgreifenden Zerwürfnisse und Streiterein zwischen ihnen vorliegen.