Der Streit um den kleinen Piks.
Immer öfter kommt es vor, dass sich Eltern nicht darüber einigen können, ob oder in welchem Umfang ihr Kind geimpft werden soll.
Viele Elternteile sind durch Medienberichte oder Mund-zu-Mund-Propaganda, wonach es bei Kindern zu schweren Schädigungen aufgrund von Impfungen gekommen sein soll, oder auch tatsächlich kam, verunsichert.
Schon wenige Wochen nach der Geburt müssen die Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind gegen Diphterie, Hiernhautentzündung, Kinderlähmung und andere Krankheiten impfen lassen.
Artikel und Internetseiten, in denen beschrieben wird, welche schweren gesundheitlichen Folgen eine Impfung für ein bestimmtes Kind hatte, in denen gar die These aufgestellt wird, dass Impfungen für die Erkrankung der Kinder an AD(H)S verantwortlich sei (so ein Bericht der Alpenschau), verunsichern viele Eltern und lassen Einige auch zu Impfgegnern werden.
Auch ich stand vor neun Jahren nach der Geburt meiner Tochter vor der Entscheidung und habe mich erst einmal informiert, bevor ich mich entschied, mein Kind impfen zu lassen.
Grundsätzliches über den Impfschutz.
Neugeborene sind zunächst durch den sogenannten Nestschutz geschützt, soweit die Mutter durch Impfungen oder durchlebte Kinderkrankheiten Antikörper entwickelt hat. Diese Antikörper werden durch die Nabelschnur und die Muttermilch auf das Kind übertragen.
Doch nach zirka einem halben Jahr versiegt diese von der Mutter geliehene Immunität. Damit die Kinder dann einen wirksamen eigenen Schutz aufgebaut haben, muss ab dem zweiten Monat mit den Impfungen begonnen werden.
Das sagt zumindest die Schulmedizin.
Die meisten Eltern entscheiden sich dann auch dafür, ihr Kind impfen zu lassen. Rund neunzig Prozent der Kinder sind nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) durchgeimpft.
Was ist, wenn getrenntlebende Eltern sich nicht einigen können?
Wenn Eltern sich getrennt haben, gibt es oft Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem oder den gemeinsamen Kind oder Kindern.
Ein Streitthema ist hier manchmal auch, ob und ggf. in welchem Umfang das Kind/die Kinder geimpft werden soll/-en.
Doch wer darf dies letztendlich entscheiden?
In der Regel besteht das gemeinsame Sorgerecht. D. h., dass wichtige Entscheidungen nur von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden können und dürfen.
Ist die Impfung eine solche wichtige Entscheidung?
Hierüber musste kürzlich das Amtsgericht Darmstadt entscheiden.
In dem Fall waren sich die Eltern ursprünglich einig darüber, die Kinder nicht impfen zu lassen. Insbesondere der Vater war gerade im Hinblick auf Impfungen gegen Kinderkrankheiten äußerst kritisch eingestellt.
Die Kindesmutter informierte sich bei der Kinderärztin und ließ sich schließlich davon überzeugen, dass es sinnvoll ist, die Kinder gegen Keuchhusten, Pneumokokken, Tetanus und Diphterie impfen zu lassen.
Sie bat daraufhin ihren getrenntlebenden Ehemann über ihre Rechtsanwältin um Zustimmung zu den geplanten Impfungen. Dieser verweigerte die Zustimmung, woraufhin die Mutter vor dem Familiengericht Darmstadt beantragte, dass ihr die Alleinentscheidungsbefugnis hinsichtlich dieser Impfungen übertragen wird.
Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass es einer Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nicht bedürfe, da es sich bei der Entscheidung, die Kinder impfen zu lassen, um eine Entscheidung des täglichen Lebens handele. Solche Entscheidungen trifft, dies geht aus § 1687 Abs. 1, Satz 2 BGB hervor, der Elternteil, bei dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
§ 1687 Abs. 1, Satz 2 BGB:
Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens.
Begründet hat das Gericht diese Auffassung damit, dass die Impfungen Teil der sogenannten U-Vorsorgeuntersuchungen seien, welche ihrerseits auch zur Alltagssorge gehörten.
Eine fehlende Impfung, wie bspw. die Tetanusimpfung, schränke den betreuuenden Elternteil, hier also die Mutter, unter Umständen in der Wahl der Stellen, an denen sie die Kinder im Freien spielen lassen kann, ein. Folgerichtig müsse dieser Elternteil auch entscheiden dürfen, ob und wogegen die Kinder geimpft werden.
So wurde der Antrag der Mutter dahingehend ausgelegt, dass sie die Feststellung begehrt, die in Frage stehenden Impfungen vornehmen lassen zu dürfen.
Diesem Antrag wurde stattgegeben. Die Mutter konnte die Kinder ohne Zustimmung des Vaters impfen lassen.
Meiner Meinung nach ist die Entscheidung richtig. Allerdings bezweifele ich, dass sie ebenso ausgefallen wäre, wenn die Mutter diejenige gewesen wäre, die die Impfungen ablehnt.
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