Trotz einer eindeutigen extremen Benachteiligung der Ehefrau durch die ehevertraglichen Regelungen hat das OLG Hamm in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 22.05.2014 – II 1 UF 66/13) den zwischen den Eheleuten geschlossenen Ehevertrag für wirksam erachtet.
Die Beteiligten schlossen, wobei sie sich darüber einig waren, dass sie demnächst Kinder haben wollten, vor ihrer Heirat einen Ehevertrag.
Der zukünftige Ehemann war vermögend, während die zukünftige Ehefrau über keinerlei Vermögen verfügte, lediglich eine Schneiderlehre absolviert hatte und als Verkäuferin in einer Boutique arbeitete.
In dem Ehevertrag vereinbarten die zukünftigen Eheleute die kompsensationslose Gütertrennung. Darüber hinaus wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und ebenso der nacheheliche Ehegattenunterhalt.
Der zukünftigen Ehefrau wurde jedoch ein Rücktritt von dem Unterhaltsverzicht unter der Maßgabe vorbehalten, dass sie Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB für genau in dem Vertrag festgelegte Zeiten geltend machen kann.
Tatsächlich war die angehende Ehefrau zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages bereits schwanger, konnte jedoch im Rahmen des Verfahrens nicht nachweisen, dass ihr diese Schwangerschaft bereits bekannt war.
Im Jahr 1998 und 2001 wurden die beiden ehegemeinsamen Kinder geboren.
Im Zuge der Ehescheidung beantragte die Ehefrau dann die Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhaltes und eines Zugewinnausgleichs.
Das erstinstanzlich mit dem Fall betraute AG, Familiengericht, Dortmund führte die Ehescheidung durch und wies die Anträge der Ehefrau auf Zahlung nachehelichen Unterhaltes und Zugewinnausgleichs mit der Begründung ab, dass der Ehevertrag wirksam sei.
Das OLG Hamm, welches in 2. Instanz mit der Frage der Wirksamkeit des Ehevertrages und damit des Bestehens von weitergehenden nachehelichen Ehegattenunterhaltsansprüchen und des Anspruchs auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs beschäftigt war, bestätigte im Ergebnis die Entscheidung des AG.
Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle überprüfte das Gericht hier zunächst, ob der Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig war.
Hierbei berücksichtigte das OLG die Rechtsprechung des BGH zur Überprüfung von Eheverträgen, wonach die freie Vereinbarkeit von Scheidungsfolgen nicht das Unterlaufen des Schutzzweckes der gesetzlichen Regelungen zu Folge haben darf. Der BGH wendet einen umso strengeren Maßstab an, je intensiver in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wird, wie es bspw. bei dem Ausschluss nachehelichen Betreuungsunterhaltes der Fall ist.
Güterrechtliche Vereinbarungen sind auch nach der Rechtsprechung des BGH einer vertraglichen Abänderung im Rahmen eines Ehevertrages weitestgehend zugänglich.
Unter Berücksichtigung der Beteiligung des Ehemannes an dem erarbeiteten Familienvermögen seines Vaters bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung und dem mit der vereinbarten Gütertrennung verbundenem Wunsch, dieses Vermögen zusammen zu halten, hielt das Gericht dis für nachvollziehbar und wirksam.
Problematischer im Hinblick auf eine mögliche Sittenwidrigkeit war der weitestgehende Verzicht auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme eines eng begrenzten Betreuungsunterhaltsanspruchs.
Insbesondere der Ausschluss von Unterhalt wegen Krankheit und Alter ist auch nach der Rechtsprechung des BGH nur dann nicht sittenwidrig, wenn zu mindestens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbar ist ob und ggfs. wann der belastete Ehepartner alters- oder krankheitsbedingt unterhaltsbedürftig werden könnte.
Da eine solche Entwicklung selbst zum Zeitpunkt der Durchführung des Verfahrens nicht absehbar war, hielt das OLG Hamm auch den Unterhaltsverzicht für sich betrachtet nicht für sittenwidrig.
Es stellte sich jedoch die Frage, ob eine Sittenwidrigkeit sich aus der Gesamtwürdigung der getroffenen Vereinbarungen ergibt. Objektiv war die Ehefrau durch die vereinbarte Gütertrennung und den weitestgehenden Verzicht auf nachehelichen Unterhalt ohne irgendwelche Ausgleichszahlungen stark benachteiligt. Der Ehemann verfügte über ein Vermögen von ca. 9 Millionen Euro und nach eigenem Vortrag über ein anrechenbares monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 5.000,00 €, während sie keiner Erwerbstätigkeit nachging und über kein Vermögen verfügte.
Weitere Voraussetzung für eine Sittenwidrigkeit ist jedoch, dass die vertraglichen Regelungen auch auf eine Benachteiligung des Ehepartners abzielen, das heißt, dass der Ehepartner auch subjektiv durch den Vertrag benachteiligt werden soll. Wenn dann noch ungleiche Verhandlungspositionen im Hinblick auf die Dominanz des vermögenden Ehegatten hinzukommen, liegt eine Sittenwidrigkeit vor.
Diese „kriegsentscheidende“ Dominanz des Ehemannes sah das OLG jedoch als nicht gegeben an, zumal nach den Feststellungen des Gerichts beide Ehepartner bei Vertragsanschluss nicht wussten, dass die Antragstellerin bei Abschluss des Ehevertrages bereits schwanger war.
Da die Antragstellerin zudem bereits vor der Eheschließung 10 Jahre lang mit dem Antragsgegner zusammen gelebt, sich dann vorübergehend von diesem getrennt, im Zuge dieser Trennung auch eine eigene Erwerbstätigkeit aufgenommen und dann auf dessen Werben hin zu dem Antragsgegner zurückgekehrt und diesen geehelicht hatte, war sie nach Auffassung des Gerichts nicht wehrlos, sondern hätte ihre Rückkehr von einer finanziellen Absicherung abhängig machen können.
Aus diesen Gründen verneinte das OLG eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages.
Auch einer Ausübungskontrolle nach § 242 BGB hielt der Vertrag nach Auffassung des Gerichts stand. Im Rahmen dieser Ausübungskontrolle ist zu prüfen, ob aufgrund des vereinbarten Ausschlusses der Scheidungsfolgen, hier des Zugewinnausgleichs und des nach ehelichen Unterhaltes, eine so nachteilige einseitige Lastenverteilung resultiert, dass diese für den belasteten Ehegatten nicht zumutbar ist. Entscheidend ist hier vornehmlich, ob im Verlaufe der Ehe von der dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung grundlegend abgewichen wurde.
Eine solche Abweichung von der Lebensplanung war jedoch im vorliegenden Fall nicht festzustellen.
Da nach Auffassung des Gerichts die Antragstellerin erkennen konnte und musste, dass der Antragsgegner, was in dem Ehevertrag zum Ausdruck kam, jegliche nacheheliche Solidarität ablehnte, wäre es nach Auffassung des Gerichts ihre Aufgabe gewesen, entweder den Ehevertrag in der bestehenden Form nicht zu unterzeichnen, oder sich während der Ehe beruflich auf eigene Füße zu stellen.
Auch der gemeinsame realisierte Kinderwunsch war nach Auffassung des Gerichts für die Ehefrau kein Hinderungsgrund hinsichtlich der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, da die wirtschaftlichen Verhältnisse problemlos eine Fremdbetreuung der Kinder zugelassen hätten.
Diese Entscheidung verdeutlicht wieder einmal, dass man keineswegs leichtfertig und unüberlegt, im Vertrauen darauf, dass die Ehe schon nicht scheitern wird, einen die eigenen gesetzlich normierten Rechte stark einschränkenden Ehevertrag unterzeichnen sollte. Es ist geboten, sich zuvor fachlichen Rat, am Besten bei einem Fachanwalt für Familienrecht einzuholen um sich die aus den in dem Ehevertrag vorgesehenen Regelungen ergebenden Konsequenzen für den Fall der Scheidung vor Augen führen zu lassen und Alternativlösungen, die die Wünsche und Bedürfnisse beider Ehepartner berücksichtigen, zu erarbeiten.
In keinem Fall kann man sich, dies macht diese Entscheidung, den evident die Ehefrau einseitig benachteiligenden Ehevertrag für wirksam erachtet, deutlich darauf verlassen, dass im Falle einer Scheidung das Gericht die ehevertraglich getroffenen Vereinbarungen für unwirksam erachten wird.