Soll ich mich überhaupt scheiden lassen?
Diese Frage stellen sich viele getrennt lebende Ehepaare nach Ablauf des Trennungsjahres.
Oft scheuen sie die Kosten einer Scheidung oder sehen nicht die Notwendigkeit, diesen letzten endgültigen Schritt zu gehen.
Doch was sind die rechtlichen Konsequenzen einer Trennung ohne Scheidung?
Unterhalt
In der Trennungszeit steht dem Ehegatten, meist der Ehefrau, der während der Ehe nicht gearbeitet oder nur wenig verdient hat, i. d. Regel Trennungsunterhalt zu. Dieser bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, also danach, was während des ehelichen Zusammenlebens an Einkommen vorhanden war.
Nach der Scheidung muss dem Ehepartner, der Unterhalt bekommen möchte, ein sog. Unterhaltstatbestand ( §§ 1570 ff BGB), bspw. die Betreuung eines Kindes unter 3 Jahren, unverschuldete Arbeitslosigkeit, etc. zur Seite stehen und er muss nachweisen, dass er durch die Ehe Nachteile in Bezug auf sein eigenes berufliches Fortkommen hatte.
Zudem ist der nacheheliche Unterhalt (bis auf den Unterhalt wegen Betreuung eines unter dreijährigen gemeinsamen Kindes) zeitlich befristbar.
Fazit: Nachehelicher Unterhalt ist nur unter bestimmten Voraussetzungen und wenn, dann meist nur zeitlich begrenzt durchsetzbar, während Trennungsunterhalt wesentlich einfacher und auch unbefristet zu erlangen ist.
Achtung: Die Trennungszeit zählt als Ehezeit! Je länger die Ehedauer, desto länger ist in der Regel nachehelicher Unterhalt zu zahlen, wenn ein Unterhaltsanspruch besteht.
Schwerwiegende Erkrankung des Ehepartners in der Trennungszeit
Wenn ein Ehepartner in der Trennungszeit schwer erkrankt und dadurch arbeitsunfähig wird, hat er einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehepartner. Dieser besteht dann nach der Scheidung fort, da nachehelicher Unterhalt wegen Krankheit ( § 1572 BGB ) geschuldet ist.
Tritt die Erkrankung erst nach rechtskräftiger Scheidung ein, besteht kein Unterhaltsanspruch!
Für den nachehelichen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit ist Voraussetzung, dass diese Erkrankung bereits am Tag der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses bestand (Stichtagsprinzip).
Wenn er eine Woche nach Rechtskraft der Scheidung erkrankt, hat er keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit!
Wird ein Ehepartner während der Trennung pflegebedürftig, so kann der andere Ehepartner zur Zahlung der anfallenden Pflegekosten herangezogen werden. Bei Eintritt der Pfelgebedürftigkeit nach rechtskräftiger Scheidung ist dies nicht der Fall.
Fazit: Nur eine Scheidung verhindert, dass auch Dritte, wie der Staat, Unterhalt für den pflegebedürftigen Ehegatten geltend machen können.
Erbrechtliche Ansprüche bei Trennung / Scheidung
Während der Trennungszeit besteht weiterhin das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Selbst wenn ein Ehepartner den anderen durch Testament enterbt, hat Dieser dennoch einen Pflichtteilsanspruch, der sich auf die Hälfte des ihm gesetzlich zustehenden Erbteils beläuft.
Erst nachdem dem Ehepartner der Scheidungsantrag zugestellt wurde, besteht kein erbrechtlicher Anspruch mehr.
Fazit: Solange die Scheidung nicht beantragt wurde, haben die getrennt lebenden Ehepartner wechselseitig weiterhin einen Erbanspruch.
Versorgungsausgleich = Ausgleich der in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften
Die Trennungszeit gilt als Ehezeit, so dass in dieser Zeit erworbene Rentenansprüche hälftig mit dem Ehepartner zu teilen sind.
Die Folge ist, dass, wenn ein Ehepartner deutlich mehr verdient, als der andere, oder der andere Ehepartner gar nicht arbeitet, dem Ehepartner mit dem höheren Einkommen um so mehr Rentenansprüche verloren gehen, je länger die Ehe besteht.
Erst dann, wenn der Scheidungsantrag dem Ehepartner zugestellt wird, erwirbt er keine Ansprüche mehr auf die von dem anderen Ehepartner erworbenen Rentenanwartschaften.
Fazit: Wer deutlich mehr verdient als sein Ehepartner für den ist es wichtig, schnell geschieden zu werden, da sich ansonsten seine Altersrente durch seine Ausgleichspflicht immer mehr vermindert.
Zugewinnausgleich
Wenn beide Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, also keinen Ehevertrag geschlossen haben, in dem Gütertrennung vereinbart wurde, besteht auch hier eine Ausgleichspflicht gegenüber dem Ehegatten, der in der Ehe weniger erwirtschaftet hat.
Beispiel: Der Ehemann hat sich während der Ehe ein Haus gekauft, dass er vermietet hat. Die Ehefrau hat keinerlei Vermögen.
Das Haus hat einen Wert von 300.000,00 €. Der Ehemann hat für den Kauf des Hauses einen Kredit i. H. v. 200.000,00 € aufgenommen, den er
jährlich mit 10.000,00 € tilgt.
Nach Ablauf des Trennungsjahres beläuft sich die Restschuld auf 160.000,00 €
Zu diesem Zeitpunkt beläuft sich sein Vermögen also auf 140.000,00 € ( 300.000,00 € Hauswert – 160.000,00 € Schulden).
Die Hälfte hiervon, also 70.000,00 € stehen der Ehefrau zu.
Stichtag für die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist der Tag, an dem der Scheidungsantrag dem Ehepartner zugestellt wird.
Jedes Jahr, in dem der Ehemann die Scheidung nicht beantragt, erhöht sich der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau um weitere 5.000,00 €, da er jährlich 10.000,00 € tilgt und damit sich der Wert des Hauses aufgrund der geringeren Schuldenbelastung jährlich um diesen Betrag, von dem der Ehefrau die Hälfte zusteht, erhöht. Steigert sich der Wert der Immobilie zusätzlich noch durch eine marktbedingte Wertsteigerung, erhöht sich der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau entsprechend weiter.
Fazit: Der Ehepartner, der in der Ehe Vermögen hinzugewonnen hat und sein Vermögen weiter steigert, sollte sich nach Ablauf des Trennungsjahres scheiden lassen,
wenn er nicht möchte, dass sein Ehepartner weiter Anspruch auf die Hälfte des von ihm aufgebauten Vermögens hat.
Tipp!!
Bevor Sie die Entscheidung treffen, ohne Scheidung getrennt zu leben oder sich scheiden zu lassen, sollten Sie sich unbedingt von einem Anwalt, möglichst einem Fachanwalt für Familienrecht beraten lassen.
Eine falsche Entscheidung kann Sie viel Geld kosten.