Eines Tages kam eine Frau zu mir in die Kanzlei und erzählte mir, dass Sie sich gerade von ihrem Mann getrennt habe und nun praktisch vor dem Nichts stünde.
Es stellte sich heraus, dass diese Frau bereits über Jahre hinweg in ihrer Ehe sehr unglücklich war und dennoch bei ihrem Mann blieb, weil sie an sich den Anspruch stellte der ehegemeinsamen Tochter eine intakte Familie bieten zu müssen. Erst als sie kurz vor einem physischen und psychischen Zusammen- bruch stand, trennte sie sich. Sie musste einsehen, dass sie dem Kind im Prinzip von Anfang an keine intakte Familie hatte bieten können, und dass dies auch gar nicht in ihrer Macht lag.
Über Jahre hinweg hatte sie ihre eigenen Bedürfnisse immer weiter zurückgestellt, um den Schein einer guten Ehe aufrecht zu erhalten. Alle Apelle an den Ehemann doch endlich auch mehr Verantwortung zu übernehmen und auch seine Verhaltensweisen zu überdenken schlugen fehl. Da er sie weder körperlich mißhandelte, noch das Kind schlecht behandelte, sah sie trotz der Tatsache, dass sie selbst todunglück- lich war, keine Berechtigung für sich, aus der Ehe auszubrechen.
Als sie es dann schließlich doch tat, weil sie erkennen mußte, dass ihr an Selbstaufgabe grenzendes Ver- halten nicht nur ihr, sondern auch der Tochter und deren Entwicklung nicht gut tat, war sie sowohl wirtschaftlich als auch psychisch in einer wesentlich schlechteren Verfassung, als jemals zuvor, insbesondere vor ihrer Eheschließung.
Sie, die beruflich immer als selbständige Unternehmerin erfolgreich gewesen war, erzielte mit ihrem Unternehmen nur noch geringe Einkünfte, da sie neben der Betreuung der Tochter, die ihr nahezu allein oblag, auch noch in der Firma des Mannes aushalf und dessen ebenfalls auf dem Grundstück wohnenden Eltern mitversorgte. Bei all diesen Aufgaben, dazu zählte auch noch die Haushaltsführung, die sie auch nahezu allein bewältigen musste, verblieb nicht mehr viel Zeit für die Führung des Unternehmens und die Kundenaquise.
Nach der Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse setzte ich einen Kindes- und Ehegattenunterhalts-anspruch gegenüber dem Mann durch, der ihr die nötige Luft verschaffte, ihr Unternehmen wieder in die Gewinnzone zu bringen und sich um die Tochter zu kümmern, die psychisch auch sehr unter der Situation gelitten hatte.
Die bittere Bilanz einer fast 10jährigen Ehe blieb jedoch: Sie war als gut verdienende Unternehmerin in die Ehe gegangen und ohne finanzielle Rücklagen und mit einem nicht mehr gewinnträchtigen Unternehmen aus der Ehe herausgegangen. Da die Eheleute Gütertrennung vereinbart hatten, konnte sie auch keinen Zugewinnausgleich beanspruchen.