Wann und unter welchen Voraussetzungen Betreuungsunterhalt auch über das 3. Lebensjahr des Kindes zu zahlen ist.
Hier: Muß ich als Mutter von Kindern über 3 Jahren einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen?
Die Antwort: Wenn Sie wissen, was die maßgeblichen Beurteilungskriterien sind und entsprechend vortragen sehr wahrscheinlich nicht.
In meinem folgenden Artikel beschäftige ich mich mit der Frage, in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes geschuldet ist und ob noch ein Unterhaltsanspruch besteht, wenn mehr gearbeitet wird, als tatsächlich geschuldet ist.
Bereits in einem früheren Blogartikel hatte ich ausgeführt, wann nachehelicher Unterhalt zu zahlen ist und, dass Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB in bestimmten Fällen auch über den dritten Geburtstag des Kindes hinaus verlangt werden kann.
So ist bspw. dann, wenn im Umkreis des Wohnortes keine ganztägige zumutbare Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung steht, lediglich eine Halbtagstätigkeit innerhalb der Betreuunugszeiten geschuldet.
Ist eine ganztägige Betreuung möglich, so wird seit der Unterhaltsrechtsreform auch die Mutter eines Vorschulkindes oft zu einer Vollzeittätigkeit verpflichtet.
Ich bin selbst alleinerziehende Mutter einer Tochter im Grundschulalter und weiß daher, das dies eine enorme Belastung für Mutter und Kind ist. Die Kinder brauchen im Vorschul- und Grundschulalter noch Ihre Mutter oder den Vater. Sie den ganzen Tag fremdbetreuen lassen zu müssen, wird ihren Bedürfnissen nicht gerecht. Von uns Müttern dann zu verlangen nach einem 8 oder mehrstündigen Arbeitstag noch die Kinder fröhlich zu betreuen und zu erziehen, den Haushalt zu schmeißen und Einkäufe und Arzttermine zu erledigen, ist – vorsichtig ausgedrückt – äußerst anspruchsvoll.
Einzelfallprüfung: Die Eingangstür für weiteren Unterhalt
Sobald das jüngste Kind drei Jahre alt wird, ist gem. § 1570 BGB zu prüfen, ob eine weitere Unterhaltszahlung der „Billigkeit“ entspricht. Bei der Billigkeitsprüfung werden tatsächliche Gegebenheiten, d. h. bspw. Fremdbetreuungsmöglichkeiten und in der Person des Kindes oder der Mutter liegende Gründe berücksichtigt.
Es ist daher für die Geltendmachung von Betreuunugsunterhalt enorm wichtig, genau darzustellen, aus welchen Gründen eine (weitere) Erwerbstätigkeit von Ihnen als Mutter (oder betreuuendem Vater) nicht geschuldet ist. Hier sind zahlreiche kindbezogene oder auch elternbezogene Gründe denkbar, es wird jedoch oft verabsäumt, diese konkret darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen.
Kindbezogene Gründe können gesundheitliche Einschränkungen des Kindes sein, auch eine erhöhte psychische Belastung durch die Trennung der Eltern. Auch von dem Kind bereits vor der Trennung ausgeübte Hobbies, die einen erhöhten Betreuungsbedarf begründen, können hier eine Rolle spielen.
Elternbezogene Gründe können ebenfalls in Form von gesundheitlichen Beeinträchtigungen gegeben sein und auch durch eine lange Ehedauer bedingt vorliegen. Wenn die Mutter in der Ehe lange Zeit nicht berufstätig war, so ist nur eine schrittweiser Übergang in eine Beschäftigung und auch zunächst nur in eine Teilzeitbeschäftigung geschuldet. Ebenso ist in der Regel nach Vollendung des dritten Lebensjahres nicht aprubt von Nichtbeschäftigung in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln.
Es ist ganz genau der Einzelfall zu betrachten und die in diesem individuellen Fall vorliegenden Gründe zu erfassen und herauszustellen.
In einem vom OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall arbeitete die betreuende Mutter vollschichtig, obwohl das Jüngste ihrer zwei Kinder noch die Grundschule besuchte und eine Fremdbetreuung nur bis 16.00 Uhr gewährleistet war. Ihre Arbeitszeit ging deutlich über diesen Betreuungsrahmen hinaus. Die Mutter der Antragstellerin betreute die Kinder in den nicht durch Fremdbetreuung abgedeckten Zeiten gegen ein Entgeld.
Die Antragstellerin trug vor, dass Sie nur zu einer Tätigkeit im Umfang von bis zu 130 Stunden monatlich ( 3/4 Stelle ) verpflichtet und ihre darüber hinausgehende Tätigkeit überobligatorisch und das hieraus erzielte Einkommen unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sei. Das OLG Düsseldorf hielt die Kindesmutter trotz der Betreuung zweier minderjähriger Kinder von denen das Jüngste noch die Grundschule besuchte für verpflichtet, die Vollzeittätigkeit auszuüben und versagte ihr einen Betreuungsunterhalt.
Die hiergegen beim BGH eingelegte Beschwerde führte zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Der BGH stellte klar, dass die Tatsache, dass die Mutter vollschichtig arbeite nicht automatisch impliziere, dass ihr das auch zumutbar sei. Eine über die Schulbetreuung bis 16.00 Uhr hinausgehende Fremdbetreuung sei in der Regel nicht geschuldet und den Kindern auch nicht ohne Weiteres zuzumuten. Die Betreuung und Erziehung zweier minderjähriger Kinder neben einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit könne zudem zu einer übermäßigen Belastung führen.
Da nach Ansicht des BGH zur Klärung der Frage, ob kind- oder elternbezogene Gründe, die eine vollzeitige Erwerbstätigkeit als nicht geschuldet erscheinen lassen, vorliegen, noch weitere tatrichterliche Feststellungen notwendig waren, wies es den Fall zur Entscheidung an das OLG zurück.
Nunmehr hat das OLG Düsseldorf diesen Fall entschieden. Es hat der Mutter einen Betreuungsunterhalt zugesprochen und festgestellt, dass sie aus kindbezogenen Gründen nicht verpflichtet ist, vollschichtig zu arbeiten. Lediglich die Ausübung einer 3/4 Stelle sei geschuldet. Das darüber hinaus erzielte Einkommen (tatsächlich arbeitet die Antragstellerin ja vollzeit ), sei zur Hälfte anzurechnen. Dies werde in der Rechtsprechung einhellig so vorgenommen, wenn, wie hier auch, keine besonderen Umstände vorliegen.
Die Mutter bekam daraufhin Betreuungsunterhalt zugesprochen.
Ihr hätte ansonsten aufgrund des höheren Einkommens des geschiedenen Ehemannes auch Aufstockungsunterhalt nach § 1573 BGB zugestanden.
Nun fragen Sie sich, warum dann der ganze Aufwand?
Die Frage ist leicht beantwortet. Eine geschiedene Ehefrau, die minderjährige Kinder betreut und wegen dieser Betreuung Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB erhält, steht im gleichen Rang mit einer weiteren ein minderjähriges Kind des Exehemannes betreuenden Mutter. Dies war im vorliegenden Fall erheblich, da der geschiedene Ehemann eine neue Beziehung eingegangen war und mit dieser Frau ebenfalls ein Kind hatte. Hätte die Antragstellerin nur Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gehabt, wäre von dem Einkommen des Kindesvaters neben dem Kindesunterhalt auch der seiner jetzigen Partnerin geschuldete Betreuungsunterhalt abgezogen worden. Da wäre für die Antragstellerin wahrscheinlich nichts mehr übrig geblieben.
Das Rangverhältnis der Unterhaltsgläubiger ist in § 1609 BGB geregelt:
§ 1609 BGB
Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
1. | minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2, | |
2. | Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen, | |
3. | Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen, | |
4. | Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen, | |
5. | Enkelkinder und weitere Abkömmlinge, | |
6. | Eltern, | |
7. | weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor. |
Wichtig ist noch, dass der BGH auch feststellte, dass, wenn neben dem Betreuungsunterhalt auch noch Aufstockungsunterhalt geschuldet ist, was dann der Fall ist, wenn trotz vollschichtiger Erwerbstätigkeit der sich aus den ehelichen Lebensverhältnissen ergebende Unterhaltsbedarf nicht vollständig gedeckt ist, vollumfänglich der Betreuungsunterhalt für die Beurteilung der Frage des Ranges der Unterhaltsgläubigerin heranzuziehen ist.
Daher lohnt es sich immer, wenn minderjährige Kinder zu betreuen sind, zunächst den Betreuungsunterhalt zu prüfen und alle Gründe, die gegen eine vollschichtige Erwerbspflicht sprechen, zusammenzutragen und hierzu detailliert vorzutragen.
Wenn Sie Betreuungsunterhalt geltend machen wollen, unterstütze ich Sie hierbei mit meiner umfassenden Fachkompetenz aus 20jähriger engagierter Tätigkeit gerne. Rufen Sie mich an oder schreiben Sie mir eine Email. Ihre Fachanwältin im Familienrecht in Sandhausen, Heidelberg und Umgebung.