Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.2001 hat sich die Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit von Eheverträgen wesentlich verändert.
Die ursächliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das BverfG hatte 2001 in einem Fall, wo die Eheleute vor Eheschließung einen Ehevertrag geschlossen hatten, in dem Gütertrennung sowie der Ausschluß des Versorgungsausgleichs vereinbart wurde und die Ehefrau zusätzlich noch auf nachehelichen Unterhalt verzichtete, für sittenwidrig und unwirksam erklärt.
In dem konkreten Fall war die Frau zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch nicht mit dem zukünftigen Kindesvater verheiratet. Dieser hatte ihr auch zu verstehen gegeben, dass er keine Kinder wolle. Ihr war es sehr wichtig, noch vor der Geburt des Kindes mit ihm die Ehe zu schließen und auf ihr Betreiben hin wurde dann der ihre Unterhaltsansprüche ausschließende und sie benachteiligende Ehevertrag geschlossen.
Folgen für die Rechtsprechung des BGH
Bis zum Jahr 2001 hat der BGH auch eindeutig einen Ehepartner benachteiligende Eheverträge für wirksam erachtet. Nach der Entscheidung des BverfG wandelte sich die Rechtsprechung des BGH nachhaltig. In einer Grundsatzentscheidung im Jahr 2004 stellte er unter Berücksichtigung des Urteils des BverfG neue Wirksamkeitskriterien für Eheverträge auf, die sich in der sogenannten Kernbereichslehre manifestieren.
Danach ist zu unterscheiden, welche familienrechtlichen Bereiche in dem Ehevertrag geregelt werden.
Zunächst ist zu prüfen, ob der Ehevertrag zu einer einseitigen Lastenverteilung führt. Ist dies der Fall, dann ist für die Frage der Sittenwidrigkeit entscheidend, in welche Rangstufe des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wird.
Die Rangfolgen des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts hat der BGH wie folgt deklariert:
1.Rang:
Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB, Unterhalt wegen Krankheit gem. § 1572 BGB und Unterhalt wegen Alters § 1571 BGB.
2. Rang:
Der Versorgungsausgleich ( Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften )
3. Rang:
Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit gem. § 1573 BGB.
4. Rang:
Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt.
5. Rang:
Aufstockungs- ( § 1573 Abs. 2 BGB) und Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB).
6. Rang:
Zugewinnausgleich.
Wird also bspw. der Betreuungsunterhalt durch Ehevertrag ausgeschlossen und sind zum Zeitpunkt der Trennung, bzw. Scheidung noch kleine ehegemeinsame Kinder vorhanden, so ist, wenn kein adäquater finanzieller Ausgleich für diesen Ausschluß im Vertrag vereinbart wurde, dieser nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH voraussichtlich sittenwidrig.
Zur Verdeutlichung der gravierenden Änderung der Rechtsprechung des BGH ab 2001 einige Beispiele:
Rechtsprechung bis 2001:
- Kurz vor der Hochzeit schlossen die zukünftigen Eheleute einen Ehevertrag, in welchem die Ehpartner auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs und nachehelichen Ehegattenunterhalt verzichten. Zudem wurde der Gütertrennung vereinbart.
Die 23 jährige Ehefrau bekam ca. einen Monat nach Vertragsabschluß das erste gemeinsame Kind. Sie hatte zudem keine Berufsausbildung.
Der BGH hielt diesen Vertrag für nicht sittenwidrig und wirksam (BGH, Urteil vom 28.11.1990 – XII ZR 16/90)
- Die Eheleute, die Eltern eines im Jahre 1976 geborenen Kindes waren, schlossen 1978 anlässlich einer Ehekrise einen Ehevertrag. In diesem verzichteten sie auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, nachehelichen Unterhalt und die Durchführung des Zugewinnausgleichs. Sie vereinbarten Gütertrennung.
Der Ehemann hatte sich nur unter der Voraussetzung mit der Fortführung der Ehe einverstanden erklärt, dass die Ehefrau diesen Vertrag unterzeichnet.
Auch dieser Vertrag wurde vom BGH für wirksam erachtet. Die Fortführung der Ehe unter die Bedingung der Unterzeichnung dieses Ehevertrages zu stellen stelle keine sittenwidrige
Ausnutzung einer Zwangslage dar (BGH, Beschluß vom 02.10.1996 – XII ZB 1/94).
Rechtsprechung nach 2001:
- Die Eheleute schlossen im zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung und kurz vor der Geburt des ersten Kindes 1995 einen Ehevertrag, in welchem auf die Durchführung des Zugewinnausgleichs verzichtet wurde. Zudem wurde der nacheheliche Ehegattenunterhalt fast vollumfänglich ausgeschlossen.
Diesen Vertrag erachtete der BGH für sittenwidrig und damit unwirksam.
- Im Jahr 1992 schlossen die Eheleute am Tag vor der Hochzeit und kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes einen Ehevertrag, dessen Unterzeichnung der Ehemann zur Bedingung für die Eheschließung machte. In diesem Ehevertrag verzichteten die Eheleute auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, Zugewinnausgleichs und auf nachehelichen Ehegattenunterhalt. Lediglich der Betreuungsunterhalt wurde nicht vollständig ausgeschlossen.
Auch dieser Vertrag wurde vom BGH für sittenwidrig erachtet.
Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen:
Die Verträge, die der BGH in den vorbenannten Entscheidungen aus den Jahren nach 2001 für sittenwidrig erachtete wurden vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geschlossen, also zu einem Zeitpunkt, zu welchem der BGH diese Verträge noch für wirksam erachtete.
Das Problem:
Wenn diese Verträge nach der damaligen Rechtsprechung für wirksam erachtet wurden, können sie dann später aufgrund einer auf einem geänderten Rechtsempfinden basierenden abweichenden Rechtsprechung im Nachhinein unwirksam werden?
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mußten und konnten die Eheleute davon ausgehen, dass der Vertrag, obwohl er den einen Ehepartner benachteiligt, so wirksam ist.
Jetzt kann der benachteiligte Ehegatte, der unter den damaligen Voraussetzungen einen wirksamen Ehevertrag geschlossen hat, diesen erfolgreich angreifen, weil sich die Rechtsprechung des BGH geändert hat.
In der Konsequenz heißt das:
Wenn ich heute einen Ehevertrag auf Basis des geltenden Rechts und der aktuellen Rechtsprechung des BGH abschließe kann dieser Vertrag morgen, wenn sich die Anschauung und Rechtsauffassung des BGH ändert, sittenwidrig und damit unwirksam sein.
Bewertungszeitpunkt für die Wirksamkeitsbetrachtung des Ehevertrages:
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag sittenwidrig ist oder nicht muß der Vertragsschluß sein.
Es muß also eine Beurteilung nach den Anschauungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfolgen. Zur Klärung dieser Frage ist die damalige Rechtsprechung der Obergerichte und insbes. des BGH heranzuziehen.
Es ist also zu prüfen, ob der Vertrag, wäre er zum Zeitpunkt seines Abschlusses überprüft worden, für wirksam erachtet, oder als sittenwidrig verworfen worden wäre.
Hätte man ihn damals für unbedenklich und wirksam gehalten, so kann er nicht heute aufgrund geänderter Anschauungen mit dem Stempel „sittenwidrig“ versehen werden.
Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich tue mich schwer damit einer Mandantin, die mit einem alten Ehevertrag bei mir erscheint, in welchem sie auf nahezu alles verzichtet, obwohl sie bereits damals in einer wirtschaftlich und auch tatsächlich viel schwächeren Position war als ihr Mann, zu sagen, dass sie sich an diesem Ehevertrag festhalten lassen muß und nach der jetzigen Rechtsprechung des BGH muß sie das ja auch nicht, doch ich bedenke auch die Konsequenzen.
Wonach soll und kann man sich noch richten, wenn man einen wirksamen Ehevertrag abschließen möchte, wenn man sich nicht einmal auf die aktuelle Rechtsprechung und das darin zum Ausdruck gebrachte Anstandsgefühl verlassen kann.
Wenn man einen Vertrag vor einem Notar schließt, welcher einen auch noch rechtlich belehrt, so muß man doch, wenn dieser Vertrag in Einklang mit dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht steht, auch darauf vertrauen dürfen, dass dieser auch nach Jahren noch wirksam ist.
Überprüfung der Wirksamkeit bei Scheidung:
Nur dann, wenn die dem Vertrag zugrundeliegende Lebensplanung von der tatsächlichen einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse extrem abweicht, darf dann, wenn der Vertrag aus damaliger Sicht wirksam ist, eine Überprüfung aus aktueller Sicht erfolgen.
Beispiel:
Die Eheleute sind bei Vertragsschluß nachweislich davon ausgegangen, dass sie beide wie bisher berufstätig sein werden. Kinder waren nicht geplant, die Frau war nach ärztlicher Diagnose unfruchtbar.
Ein paar Jahre nach Vertragsschluß wurde sie dann unerwartet doch schwanger und bekam das gemeinsame Kind. Beide Eheleute kamen überein, dass die Frau bis zur Einschulung des Kindes nicht erwerbstätig und auch dann nur halbtags berufstätig sein sollte.
In dem Ehevertrag hatten sie den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Ehegattenunterhalt ausgeschlossen.
In einem solchen Fall wäre der Vertrag, zumindest dann, wenn er vor 2001 abgeschlossen worden wäre, aus damaliger Betrachtung wirksam. Da sich jedoch die diesem Vertrag zugrundeliegenden Lebensumstände vollkommen geändert haben und diese Änderung auch auf einer gemeinsamen Entscheidung der Eheleute beruht, ist eine Überprüfung aus aktueller Sicht geboten. Sie wird voraussichtlich dazu führen, dass der Unterhaltsverzicht unwirksam ist.
Fazit:
Die aktuelle Rechtsprechung des BGH ist wohl hinsichtlich der Anwendung der neuen, auf der Entscheidung des BverfG von 2001 beruhenden, Rechtsprechung auf vor dieser Entscheidung geschlossene Eheverträge bedenklich.
Wenn Sie heute einen Ehevertrag schließen möchten, empfiehlt es sich, mit der Erstellung einen Fachanwalt im Familienrecht zu beauftragen, der die aktuelle Rechtsprechung kennt und dem es – aus heutiger Sicht – gelingen dürfte, einen möglichst wasserdichten Vertrag zu fertigen.
Sollten auch Sie den Abschluß eines Ehevertrages in Betracht ziehen, berate ich Sie gerne. Wenn Sie dies wünschen entwerfe ich Ihnen auch den Vertrag unter Beachtung der derzeitigen Rechtsprechung.
Ihre Fachanwältin im Familienrecht in Sandhausen, Heidelberg, Mannheim und Umgebung.